Führen in Zeiten des Wandels
Wie der Kulturwandel im Unternehmen gelingt
Führen ist eine gemeinsame Aufgabe!
Führen ist ein Beziehungsgeschehen. Die Beziehung kommt dadurch zustande, dass zwischen Führendem und Geführten unterschieden wird. Die Unterscheidung stellt eine Form mit zwei Seiten dar, die miteinander eine Einheit bilden (Luhmann). Wie sich die Beziehung gestaltet, hängt von den beiden Seiten ab, die sich durch ihre Interaktion gegenseitig beeinflussen (Sinn). Jede Seite will sich von der jeweils anderen in ihrer Identität bestätigt sehen. Eine Beziehung ist dann tragfähig und nachhaltig, wenn auf beiden Seiten das Vertrauen entsteht, dass von der anderen Seite durch deren Verhaltensweisen keine Gefahr mehr für die eigene Identität ausgeht.
Dieses soziale Geschehen ist Voraussetzung dafür, dass sich beide Seiten ohne Einschränkung den sachlichen Aufgaben zuwenden können, die ihnen durch ihre Rollen im Unternehmen zugeordnet sind. Jedes Mitglied benutzt seine Mitarbeit im Unternehmen als Mittel, seine eigenen Lebensziele (d.h. sich selbst) zu verwirklichen. Deshalb besteht immer wieder die Gefahr, dass in der Zusammenarbeit beider Seiten die Beziehung aufs neue infrage gestellt wird. Das geschieht, wenn beide Seiten einen Sachverhalt unterschiedlich beurteilen und daraus unterschiedliche gemeinsame Vorgehensweisen ableiten. Üblicherweise wird dieser Zustand als Interessenskonflikt bezeichnet. Diese Bezeichnungsweise suggeriert, dass ein Konflikt besteht, obwohl dies erst nur eine Gefahr anzeigt, dass daraus ein Konflikt entstehen könnte. Es geschieht nämlich immer dann, wenn beide Seiten unausgesprochen darin übereinstimmen, um die richtige Sichtweise kämpfen zu wollen. Das ist auch in Führungssituationen keine Seltenheit.
Reibungsverluste minimieren
Will man Konflikte vermeiden oder bereits entstandene Konflikte lösen, dann muss man nach der gemeinsamen Aufgabe suchen, die keine Seite für sich allein lösen kann, weil sie deren Möglichkeiten in dem gegebenen Szenario übersteigt. Beide Seiten müssen dann zu der Einsicht gelangen, dass sie gerade jetzt aufeinander angewiesen sind, wenn eine Zusammenarbeit möglich werden soll.
Will man Konflikte vermeiden oder bereits entstandene Konflikte lösen, dann muss man nach der gemeinsamen Aufgabe suchen, die keine Seite für sich allein lösen kann, weil sie deren Möglichkeiten in dem gegebenen Szenario übersteigt. Beide Seiten müssen dann zu der Einsicht gelangen, dass sie gerade jetzt aufeinander angewiesen sind, wenn eine Zusammenarbeit möglich werden soll.
Zwischen ihren Funktionsebenen besteht nämlich ein hierarchischer Unterschied, der sowohl im Komplexitäts- als auch Abstraktionsgrad der Aufgabe besteht. Durch diese Hierarchie wird eine Ordnung eingeführt. Auf der höheren Funktionsebene kann die vorhandene Komplexität der Aufgabe und Verantwortung auf einem höheren Abstraktionsgrad gemeistert werden. Andererseits ist diese Ebene aber darauf angewiesen, dass die geleistete Arbeit auf der nachgeordneten Ebene auch die Kriterien der höheren Ebene erfüllt. Dies zu gewährleisten ist die eigentliche Führungsaufgabe. Wichtig ist dabei nur das Ergebnis, nicht der Weg auf dem dieses Ergebnis erreicht wird. Diese Art von Abhängigkeit zwischen unterschiedlichen hierarchischen Ebenen kann man deshalb als ‚lose Kopplung‘ bezeichnen.
Die Rolle des Führens
Aufgrund der losen Kopplung zwischen den Funktionsebenen, muss sich die Führungskraft mehr mit Menschen als mit Sachverhalten beschäftigen. Sie muss verstehen, dass eine lose Kopplung zwischen dem Bewusstsein der Beteiligten nur über die Kommunikation zustande kommt. Zwischen beiden Seiten muss eine Kohärenz in der Sinngebung geschehen, damit gemeinsam das gewünschte Ergebnis erzielt wird.
Die besondere Herausforderung für den Führenden liegt in der Aufgabe für sein Bewusstsein. Es muss über mehr Wahlmöglichkeiten in seinem Entscheidungs- und Verhaltensrepertoire verfügen, als das Bewusstsein seines Mitarbeiters.
Um diesen Unterschied nutzen zu können, muss die Führungskraft nachvollziehen können, was sich im Bewusstsein ihres Mitarbeiters abspielt. Da sie selbst darauf keinen Zugriff hat, muss sie in der Lage sein, mit ihm so zu kommunizieren, dass ihr der Mitarbeiter, die für sie relevanten Informationen, selbst liefert. Das bedeutet aber nichts geringeres, als dass in diesem Bereich der Geführte die Führung übernimmt. Der Prozess des Führens ist daher auf beiden Seiten ein Wechselspiel zwischen Führen und Geführtwerden. Das ist der Grund, weshalb die Beziehungsmuster zwischen ‚symmetrisch‘ und ‚komplementär‘ ständig wechseln müssen. Denn um die Symmetrie bei gleicher Augenhöhe und gegenseitiger Wertschätzung stabil zu halten, muss die Komplementarität bei Bedarf wechseln. (Bateson)
Unternehmensführung
Dass es in erster Linie in einem Unternehmen darum geht, seine Lebensfähigkeit zu erhalten, darauf hat schon Stanford Beer (1959) mit seinem „Viable System Model (VSM)“ hingewiesen. Dieses Bestreben der Unternehmensführung müsste immer an erster Stelle stehen, nicht nur in Zeiten des Wandels.
Diese Auffassung ist für mich nicht genau genug formuliert. Sie suggeriert, dass die Führung von Menschen gegenüber dem Lenken, Steuern und Regulieren nachrangig ist. Wie ich weiter oben gerade ausgeführt habe, müssen die Menschen an erster Stelle stehen. Sie bestimmen, bewusst oder unbewusst, wie sie sich in einem Szenario verhalten. Im kommunikativen Verbund des Unternehmens, stellen die Menschen die Lebensfähigkeit ihrer Identität an die erste Stelle!
Es ist also nicht selbstverständlich, dass Unternehmen in der für sie relevanten Umwelt des Marktes überleben können, ohne dass ihre Mitglieder in diesem Prozess ausreichend Beachtung finden. Denn die Mitglieder des Unternehmens bilden die zweite relevante Umwelt für das Unternehmen (Luhmann). Die ‚Denkschriften‘ und ‚Denkzettel‘ auf der Website ‚managerismus.com‘ zeigen dafür Beispiele, die eine deutliche Sprache sprechen.
Doch daran wird sich nichts ändern, solange die Umwelt ‚Unternehmensmitglieder‘ von der Unternehmensführung weiterhin unbeachtet bleibt. Auf breiter Front auch dann nicht, wenn es einzelnen Unternehmen gelingt, eine deutlich bessere Lebensfähigkeit zu erreichen als andere. Es wird immer damit zusammenhängen, dass in diesen Fällen im Bewusstsein der Unternehmensmitglieder, oder zumindest im Bewusstsein ihrer Führungskräfte, die Themen Wertschätzung und Kooperation eine höhere Bedeutung haben als anderswo.
Soziale Innovations
Mir scheint, dass heute die Zeit für eine ‚Soziale Innovation’ reif ist. Darunter verstehe ich, dass im Unternehmen in den unsicheren Zeiten eines schnellen Wandels nicht länger darum gestritten wird, mit welchen neuen Produkten und Dienstleistungen man sich im Markt gegenüber der Konkurrenz durchsetzen wird. Es geht vielmehr darum, das Unternehmen so aufzustellen, dass aus ihm eine ‚Lernende Organisation‘ wird, die nicht nur den Wandel des Marktes als gegeben hinnimmt, sondern Seinen Wahrnehmungsrahmen dahingehend erweitert, dass sowohl die in ihm beschäftigten Menschen als auch die Gesellschaft und gesamte Ökologie in die Beobachtung und Beurteilung mit einbezogen wird.
Im Unternehmen gibt es keine zentrale Stelle, die mit der Einführung der ‚Sozialen Innovation’ beauftragt werden könnte. Diese Innovation muss jeder für sich selbst durchführen. Jeder muss sich sozusagen neu erfinden und die Verantwortung dafür übernehmen, dass er sich sein soziales Potenzial Schritt für Schritt selbst erschließt, über das er naturgegeben schon verfügt. Damit befreit er sich weitgehend von der Begrenzung seines Sozialverhaltens durch die Identität seiner Persönlichkeit und erhöht seinen sozialen Wirkungsgrad. Das Ziel der ‚Sozialen Innovation‘ ist, dass jeder Mensch fähig wird, die Komplexität seines Bewusstseins zu erhöhen und sich dadurch in die Lage versetzt, mehr Wahlmöglichkeiten in seinem Sozialverhalten zu entwickeln. Jeder Mensch ist dadurch in der Lage, alle Aufgaben als gemeinsame Aufgaben zu verstehen und mit seinen individuellen Fähigkeiten zu deren Lösung beizutragen. Damit erhöht er nicht nur seine eigene Lebensfähigkeit, sondern gleichzeitig auch die des Unternehmens. Allein dadurch, dass er sich ändert, trägt er zur Veränderung seiner Unternehmensumwelt bei.
Wie der Kulturwandel gelingt
Der Kulturwandel im Unternehmen ist kein Change-Projekt, das nach einem Plan durchgeführt werden kann, denn der Kulturwandel ist einem Bewusstseinswandel gleichzusetzen. Die Mitglieder im Unternehmen vollziehen ihr soziales Lernen im Kommunikationsprozess selbst, indem sie ihr eigenes Potenzial entfalten. Wie in jedem Lernprozess, sind dafür Handlungsanleitungen notwendig, die, sofern man sie befolgt, zu neuen Erfahrungen und zu einer Erweiterung des Bewusstseins führen. Dadurch erweitern sich auch die Wahlmöglichkeiten im eigenen Sozialverhalten.
Mentoren, die einen solchen Bewusstseinswandel schon vollzogen haben, können diesen Wandel durch ihre Begleitung unterstützen. Es geht immer darum, zunächst sein eigenes Verhaltensmuster zu erkennen und zu erfahren, wie man es verändern kann. Das Lernfeld dafür sind die eigenen Engpässe, die man erlebt, wenn man im Umgang mit anderen Menschen an die eigenen Grenzen stößt, vertrauensvolle Beziehungen zu gestalten. Die vorhandenen Engpässe im eigenen Sozialverhalten liefern den Schlüssel zur Veränderung, wenn man den Anleitungen der ‚Mentale Navigation‘ folgt. Mit jedem eigenen Entwicklungsschritt schafft man gleichzeitig mehr Bewegungsspielraum für das Sozialverhalten der Kommunikationspartner.
Es dürfte jedem einleuchten, dass im Kulturwandel den Führungskräften eine Schlüsselrolle zukommt. Je höher die Führungskraft in der Hierarchie der Unternehmensorganisation steht, desto einflussreicher ist ihr Sozialverhalten. Das liegt nicht an der Machtausstattung ihrer Position, wie man meinen könnte, sondern an deren Funktion. Wie ich weiter oben schon ausgeführt habe, ist es der höhere Abstraktionsgrad der funktionalen Ebene, auf der sich die Führungskräfte bewegen. Wenn es jeder Führungsebene im Unternehmen gelingt, der nachgeordneten Ebene, das Geschehen im Unternehmen verstehbar zu machen, dann kann diese den Sinn ihrer eigenen Ebene erkennen und ist motiviert, sich am Geschehen aktiv und konstruktiv zu beteiligen. Allerdings muss man den Menschen genügend Spielraum einräumen, auf ihrer Ebene das Geschehen mitzugestalten. So entsteht die notwendige ‚Soziale Kohärenz’, die das Unternehmen braucht, um seinerseits lebensfähig genug zu sein, im Umfeld des Marktes erfolgreich nach denselben Prinzipen agieren zu können.
