Das Resonanz-Prinzip der Unternehmensführung
SystemDynamische Transformation als Kompetenz
Die Unternehmensrealität
Unternehmensführungen machen sich in der Regel nicht bewusst, dass das Unternehmensgeschehen ein Zusammenspiel mehrerer selbstreferenzieller Systeme auf unterschiedlichen Ebenen ist. Das gilt nicht nur für die Führungsetage des Unternehmens, sondern setzt sich durch alle Führungsebenen fort, bis hinunter zu den Teams mit den einzelnen Mitarbeitenden.
Die physische, biologische Ebene
Ein Unternehmen braucht den biologischen Menschen, der mit seinem Körper handeln kann, sich an die verschiedensten Orte begeben kann und der Sprache mächtig ist.
Die Ebene des Bewusstseins
Auf der nächsthöheren Ebene braucht es das Bewusstsein eines jeden Mitglieds, das bereit ist, mit seiner persönlichen unverwechselbaren Identität eine Beziehung mit dem Unternehmen einzugehen. Mitglieder bringen sich mit ihrer Identität ein, die alle Eigenschaften und Fähigkeiten verkörpert, die sie im Laufe ihrer Lebensgeschichte erworben haben und von denen sie einige davon in Form ihres Rollenverständnisses und -verhaltens dem Unternehmen auf einer vertraglichen Basis zur Verfügung stellt.
Damit verbunden ist auch ein Bündel von Erwartungshaltungen aus individuellen Zielen, die das Mitglied gerne im Laufe seiner Mitgliedschaft verwirklicht sehen möchte.
Die Ebene der Kommunikation
Auf der nächsten Ebene ist es der Zusammenschluss einer größere Zahl menschlicher Individuen, je nachdem, was sie zusammengeführt hat und zusammenhält, gemeinsam eine Familie, einen Verein, ein Unternehmen, einen Markt, einen Staat, eine Kultur, die Weltgesellschaft zu bilden.
Betrachten wir in unserem Fall das Unternehmen, so wird es als Kommunikationssystem ins Leben gerufen, unabhängig davon, welchem Zweck man mit ihm verfolgt. Als selbstreferenzielles System wird es so lange am Leben bleiben, solange es kommuniziert.
Diese Vorstellung steht natürlich in krassem Gegensatz zur landläufigen Meinung, dass ein Unternehmen so lange existiert, solange es am Markt mit seinen Dienstleistungen und Produkten Geld verdienen kann. Zwar ist das in unserem Wirtschaftssystem ein äußerst wichtiger Faktor, aber nicht der entscheidende. Denn solange noch kommuniziert wird, ist ein Unternehmen grundsätzlich in der Lage, auf eine ganz andere Art eine neue Nische zu finden, in dem es am Marktgeschehen, als einer seiner relevanten Umwelten, teilhaben kann.
Die Ebene des Marktes
Auch wenn es im Markt letztlich um Zahlungen geht, so sind seine Akteure auch wieder Kommunikationssysteme oder das Bewusstsein von Einzelpersonen.
Das Resonanz-Prinzip
Selbstreferenzielle Systeme sind informationsdicht, damit sie ihre Eigenständigkeit bewahren können. Zwischen ihnen ist also kein Informationstransport möglich. Sie bilden sich ihre Information aus der Interaktionserfahrung mit ihrer Umwelt selbst. Dieser Sachverhalt widerspricht unserer alltäglichen Kommunikationswahrnehmung. Deshalb wird er von unserem Bewusstsein auch nicht so wahrgenommen. Wir hören eine Botschaft und meinen, ihre Bedeutung zu verstehen, ggf. fragen wir nach oder lassen uns ihre vermeintliche Bedeutung erklären.
Management und Unternehmensführung
Unternehmen werden zu einem bestimmten Zweck gegründet. Deshalb ist es auch naheliegend, dass Funktionen wie z.B. die Organisation von Abläufen, das Treffen von Entscheidungen im Hinblick auf diesen Zweck eine zentrale Bedeutung bei der sachbezogenen Führung von Unternehmen spielt. Häufig wird dafür der Begriff Management gebraucht. Alle diese Managementaufgaben werden von Menschen erledigt. Aber Menschen als selbstreferenzielle bewusstseinsfähige Systeme steuern ihre Handlungen selbst, so wie es für sie Sinn macht.
Wer Menschen führt, muss sich deshalb um die Menschen kümmern, so dass diese in der Lage sind, die ihnen übertragenen Aufgaben kompetent und eigenverantwortlich im Hinblick auf die Zwecksetzung des Unternehmens durchzuführen. Diese Tätigkeit in der Unternehmensführung bezeichne ich aber nicht als Management, sondern als Leadership, obwohl mir bekannt ist, dass beide Begriffe oft synonym verwendet werden. Wenn ich diese Begriffe deutlich voneinander unterscheide, dann tue ich das, um hervorzuheben, dass sich Leadership auf den passenden Umgang mit der Selbstreferenzialität von Bewusstsein und Kommunikation geschieht, die auf völliger Selbstregie beruhen und eben nicht einseitig kontrolliert werden können.
Leadership = Führen nach dem Resonanz-Prinzip
Die beiden Funktionen eines ‚Leaders‘ oder ‚Managers‘ lassen sich aus meiner Sicht am besten dadurch unterscheiden, dass der Manager sich um die sachlich organisatorischen Dinge kümmert und darum bemüht ist, dass seine Mitarbeitenden seinem Weg folgen. Der Leader hingegen geht voran und seine Mitarbeitenden folgen ihm freiwillig nach, weil sie in dem, was er tut auch für sich selbst einen Sinn sehen.
Ich bin mir sicher, dass es Leader-Naturtalente gibt, die das Resonanz-Prinzip sozusagen im Blut haben. Die meisten werden sich aber darum bemühen müssen.
Die Identität eines jeden Individuums ist immer in Resonanz mit der Erwartung, was in der Außenwelt passiert. Ja, es identifiziert sich sogar mit dem Outcome des Szenarios, das er erlebt. Das mag Ihnen auf den ersten Blick absonderlich erscheinen, ist aber die logische Schlussfolgerung aus der Selbstreferenz unseres Bewusstseins. Wenn wir unsere Identität als „Ich“ konstruieren, dann muss die Außenwelt alles andere sein, nämlich das „Nicht-Ich“.
Damit sind wir mit unseren Schlußfolgerungen aber noch nicht am Ende! Der Luhmann’sche Ansatz, ein System als eine 2-Seiten-Form zu beschreiben, d.h. z.B. unser Bewusstsein als Innenseite zu beschreiben, das sich von der Außenwelt abgrenzt, führt dazu, dass die Grenzlinie für beide Seiten dieselbe Form besitzt. Sie charakterisiert demnach die Beziehung unseres Bewusstseins zur Außenwelt! Mit anderen Worten: Wir können unsere Erwartung der Außenwelt nur verändern, wenn wir unsere Beziehung zur Außenwelt verändern. Und wir können unsere Beziehung zur Außenwelt nur verändern, wenn wir unsere Identität ändern!
Leader sind Meister in der Gestaltung harmonischer Beziehungen. In harmonischen Beziehungen darf jeder so sein wie er ist, keiner fühlt sich bedroht, niemand muss sich verteidigen. Man schätzt sich gegenseitig und entwickelt ein Vertrauen, dass das auch zukünftig so bleiben wird. Solche Beziehungen sind tragfähig und nachhaltig. Sie sind das, was jedes Unternehmen dringend braucht.
Die häufige Erfahrung, dass sich Resonanzereignisse mit anderen Menschen wiederholen lassen, führt mit der Zeit zu harmonischen, vertrauensvollen, tragfähigen und damit nachhaltigen Beziehungen. Jeder ist anders, aber wenn es die Situation erfordert, kann das Ereignis der Resonanz jederzeit wiederhergestellt werden.
Ein solches Vertrauen ist im zwischenmenschlichen Miteinander der stärkste komplexitätsreduzierende Faktor. Gelingt es in einem Unternehmen, eine solche Vertrauenskultur zu schaffen, steigert es die Resilienz eines Unternehmens gegenüber Irritationen z.B. aus einer VUKA-Umwelt sozusagen ins Unermessliche!
