Die Verantwortung der Unternehmensführung
SystemDynamische Transformation als Kompetenz
Führen ist immer eine zwischenmenschliche Interaktion. Für das Führungsverhalten gilt daher in jedem Fall all das, was ich bisher beschrieben habe. Aber das ist noch nicht alles. Der Unternehmenskontex verlangt zusätzlich nach Spielregeln, die die Komplexität des Kommunikationstionssystems Unternehmen handhabbar macht
Funktionale Hierarchien
Misskredit gekommen, wenn sie als Machtinstrument missbraucht wurden. In dieser Form schaden sie sogar der Stabilität von Unternehmen, weil Command & Control der natürlichen Funktionsweise lebender Systeme zuwiderläuft. Menschen sind keine Maschinenelemente, die zu einer funktionierenden Maschine zusammengesetzt werden können, sondern Zellen eines Organismus, die alle freiwillig ihren Dienst in einem größeren Ganzen tun, weil sie darin einen Sinn sehen.
Hierarchische Strukturen dienen der leichteren Handhabung komplexer Systeme, indem sie Ebenen unterschiedlicher Abstraktion unterscheiden. Je höher die Abstraktionsebene, umso geringer die Komplexität auf dieser Ebene. Eine solche Aufgliederung funktioniert aber nur, wenn die Ebenen untereinander lose gekoppelt bleiben und die Verantwortung für die Einhaltung der Rahmenbedingungen auf die nachfolgende Ebene übertragen wird.
Der natürlichen Umwelt verpflichtet – die ökologische Verantwortung
Ich habe schon mehrfach darauf hingewiesen, dass wir uns eine technologische Parallelwelt geschaffen haben, die keinerlei Rücksicht auf ökologische Zusammenhänge nimmt, sondern unsere natürlich Umwelt zerstört. Selbst jetzt, da die negativen Auswirkungen unseres Treibens schon lange bekannt sind und es so aussieht, dass langsam ein Umdenken stattfindet, hängen die eingeleiteten Maßnahmen hoffnungslos den dringlichsten Veränderungen hinterher. Der Profit im Unternehmen und bei den Shareholdern steht immer noch an erster Stelle! Es ist nicht einsichtig, dass z.B. die Automobilindustrie mit ihren SUV-Modellen, den meisten Gewinn machen. Es ist aber auch nicht einzusehen, dass es eine riesige Käuferschicht gibt, die ihre Geltungsbedürfnisse über ihre Mitverantwortung stellt!
Der sozialen Umwelt verpflichtet – die fraktale Organisation
Damit keine Missverständnisse entstehen: Die soziale Umwelt der Unternehmen sind nicht nur die sozialen Gruppierungen des Gesellschaft, sondern sind vor allem die Mitglieder des Unternehmens selbst! Sie alle wirken mit, wenn es um den Fortbestand des Unternehmens geht.
Die Unternehmensleistung ist die Leistung aller Mitglieder des Unternehmens, unabhängig von ihrer hierarchischen Funktion. Es ist deshalb wichtig, dass dies auch in den Spielregeln ihren Niederschlag findet. Über die hierarchischen Ebenen hinweg sollte das Organisationsprinzip die Selbstähnlichkeit der Spielregeln (fraktale Organisation) sein. D.h. dass sie denselben Bauprinzipien folgen müssen, denn bei aller Unterschiedlichkeit der Mitgliederfunktionen, geht es um die Gleichwertigkeit der Menschen im Unternehmen.
Ein Unternehmen stellt in seiner Komplexität die Einheit der Vielheit. seiner Mitglieder dar, die in ihre Identität erkennbar ist (Corporate Identity). Alle seine Teile dienen derselben gemeinsamen Aufgabe. Es geht also in erster Linie um die Erzeugung sozialer Kohärenz für eine optimale Zusammenarbeit unter den Mitgliedern.
Eine Kerndisziplin des Managements
Als mir 1997 die 4. deutsche Auflage des Buches „Die fünfte Disziplin“ von Peter M. Senge in die Hände fiel, war ich hellauf begeistert. Was ich dort las, stimmte mit vielen meiner Erfahrungen überein, die ich während meiner langjährigen Tätigkeit und Leiter des Arbeitsgebiets „Überwachungs- und Automatisierungssysteme“ machen durfte. Durch meine psychologische Fortbildungen hatte ich allerdings erkannt, dass das Sozialverhalten des Menschen ein entscheidender Faktor hinsichtlich des Erfolgs oder Misserfolgs eines Projekts darstellt, wenn Spezialisten nicht miteinander kooperierten, aus welchen Gründen auch immer.
Senge sieht in der lernenden Organisation eine Kerndisziplin des Managements. Im Teil III seines Buches führt er dazu folgende Kapitel auf:
- Personal Mastery
- Mentale Modelle
- Die gemeinsame Vision
- Team-Lernen
Heute, 30 Jahre nach dem Erscheinen des Buches, halte ich diese Begriffe immer noch für bedeutsam. Ich beschreibe, erkläre und bewerte sie aber anders. Meine Tätigkeit als Psychologischer Berater und Ausbilder, sowie meine intensive Auseinandersetzung mit der Theorie lebender Systeme, eröffneten mir neue Einsichten und führten mich zu völlig neuen Erfahrungen hinsichtlich des menschlichen Sozialverhaltens:
- Soziale Innovation
- Mentale Modelle (Soziale Innovation – Mentale Navigation – SystemDynamische Transformation)
- Leitbilder
- Interaktives Lernen (Anliegen – Verantwortung – Kompetenz)
Personal Mastery
Senge versteht unter Personal Mastery eine Disziplin zur Selbstführung und Persönlichkeitsentwicklung.
Den Schlüssel zum Verständnis der Zusammenhänge zwischen dem menschlichen Bewusstsein und seinem Sozialverhalten liegt meines Erachtens im Verständnis der eigenen Identität, die sich jeder von uns selbst geschaffen hat. Jeder beansprucht einen kleinen Teil der Welt und des Lebens für sich und will darüber selbst die Regie haben: Er nennt das sein Ich, seine Identität, sein Innenleben, das er gegenüber der Außenwelt abgrenzt.
Demgegenüber steht die Außenwelt, die alles andere ist, was er selbst nicht ist, also das Nicht-Ich. Er kann die Außenwelt wahrnehmen und mit Hilfe seiner Sinne beobachten. Innenwelt und Außenwelt bilden eine gemeinsame Grenze und stehen deshalb in einer engen Beziehung zueinander.
Aufgrund seiner Ich-Definition hat jeder Mensch bestimmte Vorstellungen von der Außenwelt bzw. Erwartungen an sie. Da aber niemand allein auf der Welt ist, sondern mit vielen anderen Menschen zusammenlebt, die alle ihre eigenen Identitäten, Beziehungen und Erwartungen haben, ist es naheliegend, dass sich seine Erwartungen nicht einfach erfüllen, sondern auf dem Prüfstand der sozialen Verträglichkeit mit den Vorstellungen anderer stehen. Nur die Vorstellungen und Erwartungen, die mit der sozialen Umwelt verträglich sind, haben Bestand, alles andere ist der Veränderung unterworfen. Personal Mastery ist also die Kunst eines jeden einzelnen, bezüglich seiner Vorstellungen und Erwartungen Sozialverträglichkeit herzustellen.
Wie ich versucht habe darzustellen, hängt die Entwicklung einer solchen Kunst davon ab, wie wir unsere Identität definieren und wie sozialverträglich diese Selbstdefinition ist. Es liegt in unserer eigenen Verantwortung, inwiefern sich unsere Vorstellungen in einem gegebenen Szenario verwirklichen lassen und es liegt an unserer sozialen Kompetenz, wieviel davon sich für uns verwirklichen lässt. Die Mentale Navigation liefert zur Entwicklung dieser Kompetenz konkrete Handlungsanleitungen.
Mentale Modelle
Mentale Modelle sind Orientierungshilfen. Jeder, der sich an einen ihm unbekannten Ort begibt, sucht nach etwas, an dem er sich orientieren kann. Z.B. in einer Stadt an einem Stadtplan, in freier Natur an einer Landkarte. Dabei ist wohl jedem klar, dass eine Landkarte nicht das Gebiet ist, auch wenn sie dennoch gute Orientierungsdienste leistet. Dass das im Leben genauso ist, scheinen wir aber vergessen zu haben. Obwohl wir selbst es waren, die sich in den ersten Lebensjahren aus ihren Erfahrungen, eine solche Landkarte für unser Leben angefertigt haben: unsere Persönlichkeit! Sie diente schon damals dem eigenen Überleben im engen sozialen Verbund und tut es auch heute noch.
Aber genau dieses Modell, das wir unsere Persönlichkeit nennen und das in unserer Familie, Gemeinde, Gesellschaft, Kultur zum individuellen Überleben funktioniert hat, stellt im Zusammenleben mit vielen anderen Menschen offenbar eine Begrenzung dar. Die anderen Menschen scheinen uns im Weg zu stehen, wenn es um die Befriedigung höherer Bedürfnisse, wie Anerkennung und Selbstverwirklichung geht.
Soziale Innovation
Das Modell der Sozialen Innovation beschreibt die Aufgabe, die wir zu lösen haben, wenn wir die Beschränkungen unseres Sozialverhaltens durch unsere Persönlichkeit überwinden wollen. Wir müssen erkennen, dass unsere Sichtweisen auf die Welt, das Leben und das Sozialverhalten der anderen Menschen durch grundlegende Unterscheidungen geprägt sind, die wir einst getroffen, aber nie mehr hinterfragen konnten, weil sie Teil unserer Beobachtungsschemata und damit zur Realität unserer Weltsicht geworden sind.
Das ist kein individuelles, sondern ein generelles Phänomen. Wir müssen uns von der Idee verabschieden, allein durch unser Denken, wollen und Fühlen zur letzten, einzigen Wahrheit gelangen zu können. Stattdessen sind wir darauf angewiesen, eine Vielzahl von Perspektiven einzunehmen, ohne dadurch in einen simplen Relativismus und in eine Beliebigkeit zu verfallen.
Um uns ein angemesseneres Bild der Wirklichkeit machen zu können, sind wir auf unsere Mitmenschen angewiesen, die andere vielfältige Blickwinkel einnehmen und deshalb zu anderen Wahrnehmungen kommen, als es uns möglich ist.
Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, die so entstandenen unterschiedlichen Facetten wieder zu einem Ganzen zusammenzufügen. Wir müssen lernen, systemisch zu denken. Nur Vielfalt ist angemessen! Schmitz (1992) Managerie Bd. 1, 52. Mit anderen Worten: Wir müssen ein Bewusstsein entwickeln, das mit der Komplexität umgehen kann, die Vielheit unserer menschlichen Sichtweisen zuzulassen und lernen, darin die Einheit der Vielfalt erkennen.
Mentale Navigation
Andere Sichtweisen nicht länger als bedrohlich für unsere eigene Identitätswahl anzusehen, sondern einfach als das, was sie sind: andere Sichtweisen, die uns genauso als Orientierungshilfe dienen können, wie unsere eigenen, das liegt einzig und allein in unserer eigenen Verantwortung! Niemand kann uns dazu zwingen. Aber wenn wir bereit sind, uns darauf einzulassen, werden wir erkennen, dass unser Freiheitsgrad zunimmt. Wir bekommen mehr Wahlmöglichkeiten in unserem Leben zu navigieren und den Lebensweg zu suchen, der uns Erfüllung bringt.
Die Mentale Navigation zeigt uns unser eigenes Apperzeptionsschema, nachdem wir die Welt beobachten, worauf wir fixiert sind, was wir zu wenig entwickelt haben und deshalb von unserem Mitmenschen erwarten. Und schließlich unsere Stärken mit denen wir in der Gemeinschaft glänzen können.
Das alles zählt zu unseren Ressourcen auf die wir wir zurückgreifen können, wenn wir in Lebens-Szenarien auf Menschen treffen, die mit unseren Eigenheiten umgehen können. Das wird in vielen Fällen so sein. Ist es aber nicht der Fall, so werden wir feststellen, dass wir mit unserem Latein am Ende sind. Dann nützt es gar nichts, wenn wir von den anderen erwarten, dass sie mit uns anders umgehen! Das macht uns nur abhängig und sorgt in uns für schlechte Gefühle, wenn wir merken, dass wir über sie keine Regie haben. Was uns bleibt, um nicht im sozialen Stau des Lebens stecken zu bleiben, ist, anders zu navigieren und neue Wege zu suchen, mit solchen Szenarien anders umzugehen. Was wir als Engpass in unserem Leben erfahren, wird mit der Mentalen Navigation zum Schlüssel unserer Persönlichkeitsentfaltung!
SystemDynamische Transformation
Bei der Anwendung der passenden mentalen Modelle wird schnell klar, was die Transformation der SystemDynamik in allen sozialen Systemen bewirkt, also auch in Unternehmen: Es sind die Veränderungen der Beziehungen zueinander! Es entwickeln sich vertrauensvolle Beziehungen, die nachhaltig tragfähig sind und dadurch die Komplexität des alltäglichen Miteinanders erheblich reduzieren. Die Qualitätsverbesserung in allen Bereichen ist individuell wahrnehmbar
In der Beziehung als Harmonie
In der Erwartung als Resonanz
In der Identität als innere Balance
Mehr Wahlmöglichkeiten in unserem Sozialverhalten vergrößern unsere Resilienz. Wir sehen nicht mehr so schnell unsere Persönlichkeit bedroht und meinen sie verteidigen zu müssen. Dadurch wandelt sich die Kultur des gegenseitigen Umgangs miteinander.
Die gemeinsame Vision
Die Vision der Systemdynamischen Transformation ist, dass wir mit unserem Bewusstsein nicht auf der Stufe des individuellen Überlebens stehen bleiben dürfen, wenn wir auch als Gemeinschaft überleben wollen. Wir stehen alle vor derselben Situation: Wenn wir die Komplexität der Welt in ihrem Zusammenspiel erfassen wollen, dann müssen wir die Komplexität unseres Bewusstseins erhöhen, indem wir die individuellen Erfahrungen nicht gegeneinander ausspielen, sondern alle als einen wichtigen Beitrag verstehen, wie wir sie als Puzzlelteile zu einem in sich stimmigen Gesamtbild zusammensetzen können.
Das ist eine gemeinsame Aufgabe, zu der jeder in seinem Umfeld seinen individuellen Beitrag leisten kann und mit dazu beiträgt, dass soziale Kohärenz entsteht.
Team-Lernen
Alles, was wir bisher gelernt haben, das haben wir im interaktiven Austausch mit anderen gelernt. Jedes Alltagsszenario können wir zum Lernen nutzen. Wichtig ist nur, dass wir erkennen, dass alle Sichtweisen auf Unterscheidungen beruhen, aber nicht alle Unterscheidungen zu sinnvollen Erkenntnissen führen. Es wird immer wieder darauf ankommen, alte Unterscheidungen zu revidieren und durch neuere zu ersetzen, bis wir alle unsere Erkenntnisse in eine harmonische Ordnung gebracht haben.
