Erfolg oder Erfüllung?
Mentale Navigation in eigener Verantwortung
Der Erfolg als Maßstab des Gelingens
Jeder von uns wünscht sich im Grunde seines Herzens, mit seinem Tun in irgendeiner Weise erfolgreich zu sein. Dieser Annahme wird wohl kaum jemand widersprechen. Aber was jeder von uns unter ‚Erfolg‘ versteht, wird sich deutlich voneinander unterscheiden! Deshalb will ich das Thema aus einer Metaebene betrachten, um das Muster von ‚Erfolg‘ besser erkennen zu können.
Aus meiner Sicht liegt der persönliche Wert des Erfolgs in der Erfahrung, den Wert der eigenen Persönlichkeit bestätigt zu bekommen. Erfolgreich zu sein, erfüllt jeden von uns mit Genugtuung und Stolz, seine Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt zu haben und beseitigt damit die immer mal wiederkehrenden Selbstzweifel am Wert des eigenen Seins. Leider ist dieses Erfolgserleben nicht von Dauer, weil das Leben ständig in Bewegung ist, und wir immer wieder Situationen begegnen, in denen sich in uns neue Zweifel an unserem Wert einnisten.
Dieses Streben vom Minus zum Plus ist menschlich. In seiner Individualpsychologie nennt Alfred Adler dieses dynamische Muster den ‚Lebensstil‘ eines Menschen. Es beruht nach Adler auf ‚Irrtümern‘, d.h. unzutreffenden Meinungen über sich, die anderen, die Welt und das Leben, die aus der eigenen Lerngeschichte stammen. Die Irrtümer führen zu Minderwertigkeitsgefühlen und verlangen als Ausgleich deren Überwindung durch die Erfahrung des Erfolgs.
Die Sache hat aber einen Haken. Der Ausgleich von Minderwertigkeitsgefühlen durch Erfolg ist nicht dauerhaft, denn mit unserem Erfolgsstreben bekämpfen wir nur das Symptom der Irrtümer im Lebensstil: das Minderwertigkeitsgefühl. Der zugrunde liegende Irrtum bleibt weiterhin bestehen, so dass das Spiel immer wieder von neuem beginnt.
Erfolg ist eine Vorstellung, die in der Zukunft liegt. Er ist geistiges Konstrukt, das man wie eine Maschine entwerfen, planen und realisieren kann. Aufgrund der vorhandenen Irrtümer in unserer Persönlichkeit ist es aber nicht sicher, dass unsere ‚Maschine Erfolg‘ auch tatsächlich so funktioniert, wie wir uns das vorgestellt haben.
Warum ist das so?
Was wir im Erfolg suchen, ist das, was uns aus unserer jeweils individuellen Sicht heil machen würde. Mit dem Erfolg suchen wir aber das uns Fehlende in der Außenwelt, der Mangel in unserer Innenwelt bleibt weiterhin bestehen. Nur in dem kurzen Augenblick, in dem wir unser Erfolgsziel erreicht haben, ist ein Ausgleich gegeben. Doch das Leben geht weiter, die Szenarien ändern sich und dann wird uns plötzlich unser Mangel wieder bewusst und das Minderwertigkeitsgefühl stellt sich erneut ein.
SDT setzt auf die Erfüllung als Maßstab des Gelingens
Im Grunde unseres Herzens suchen wir gar nicht den Erfolg, sondern nur das Gefühl, das er in uns auslöst, wenn wir den Erfolg erreicht haben und damit unser subjektiv empfundenes Defizit auffüllt. Wir suchen nach einem dauerhaften Gefühl der Erfüllung. Doch alle Gefühle, die wir haben, liegen in unserer Innenwelt. Demnach ist es abwegig, Erfüllung in der Außenwelt zu suchen und sie von ihr zu erwarten.
Wenn wir schon erkannt haben, dass die Ursache unserer Minderwertigkeitsgefühle unsere Irrtümer im Lebensstil sind, dann bleibt uns nicht anderes übrig, als nach diesen Ursachen zu suchen, sie zu finden und zu beseitigen. Zweifelsohne liegen diese Ursachen irgendwo in der Vergangenheit unserer Lerngeschichte, aber sie entfalten ihre Wirkung immer wieder erneut, sobald wir uns in der Gegenwart Situationen gegenübersehen, denen wir uns nicht gewachsen fühlen. Wir zeigen dann ein Verhaltensmuster, das uns in unseren Möglichkeiten erheblich einschränkt, und deshalb nicht geeignet ist, die Herausforderung zu bewältigen, denen wir gerade gegenüberstehen.
Wie das Muster früher einmal entstanden ist, ist für uns dabei gar nicht so wichtig, sondern nur, wie wir es in der Gegenwart gerade erzeugen. Aber selbst das nur, um zu erkennen, wo wir den Hebel ansetzen müssen, um zur Erfüllung zu gelangen. Das erforderliche Potenzial ist bereits von Anfang an in uns angelegt, nur haben wir es uns bis jetzt noch nicht erschlossen.
Potenzialentfaltung ist ein Prozess, der den Prinzipien des (Über)Lebens folgt. Das (Über)Lebensprinzip eines jeden Lebewesens ist, dass es mit seiner Umwelt eine (Überlebens)Einheit bildet. Wir sind also in Wirklichkeit nicht von unserer Umwelt getrennt, auch wenn es uns so erscheinen mag, sondern wir stehen mit ihr in einer engen Beziehung. Aus dieser Sicht ist Erfüllung dann das Gefühl, im Einklang mit dieser Einheit unseren Platz gefunden zu haben.
Wie das zu geschehen hat, ist nicht als feste Form ‚in Stein gemeißelt‘, sondern abhängig vom jeweiligen Kontext. Wir haben nur darauf zu achten, dass wir immer im Einklang mit unserer sozialen und natürlichen Umwelt leben, sind aber sonst in der Ausgestaltung (= Formgebung) unseres Lebens schöpferisch frei! Mit anderen Worten: massgebend für das Gefühl der Erfüllung ist die Qualität unserer Beziehung zwischen unserer Innenwelt und der jeweiligen Außenwelt. Unsere Identität kann sich dabei fließend mit dem Lauf des Lebens verändern, genau so, wie sich das Erleben unserer Umwelt verändert, wenn wir uns verändern. Denn wenn wir mit unserer Umwelt eine Einheit bilden, dann ändert sie sich mit. D.h. die Welt, in der wir leben, erschaffen wir uns selbst nach den Erwartungen unserer jeweiligen Identität. Wir entscheiden, wie wir auf die Herausforderung des Lebens antworten und so unserem Leben einen Sinn geben.
SDT hat mit der ‚Mentalen Navigation‘ eine Vorgehensweise entwickelt, die es uns erlaubt, die Dynamik unseres einschränkenden Verhaltensmusters zu erfassen, zu beschreiben, zu erklären und zu bewerten. Daraus lässt sich unsere individuelle ‚Private Logik‘ ableiten, die den Ablauf unseres Verhaltensmusters steuert. Ihr folgen wir unbewusst, bei der Wahrnehmung unserer Identität, der Gestaltung unserer Beziehungen und dem Aufbau unserer Erwartungen. Wenn wir dabei in Schwierigkeiten geraten, entsteht intern daraus ein zirkulär sich wiederholendes Drama, in dem wir nacheinander die Identität eines ‚Täters‘, eines ‚Opfers‘ und eines ‚Retters‘ einnehmen.
Die Anwendung der ‚Mentale Navigation‘ in solchen ‚Engpässen‘ führt nicht nur zu einem AHA-Erlebnis, bei dem wir erkennen, wie wir eigentlich ‚ticken‘. Sie zeigt uns auch den Weg in die Entfaltung des in uns angelegten, aber von uns noch nicht erschlossenen Potenzials, das uns die Erfüllung ermöglicht.
Natürlich sind wir keine Übermenschen, die ihr Leben völlig unter ihrer Kontrolle haben und werden es auch nicht werden. Uns werden immer wieder Lebenssituationen begegnen, wo uns die Kohärenz mit dem Leben verloren geht und wir in Gefühlslagen gelangen, die uns nicht gefallen. Das muss aber kein Anlass für uns sein zu versuchen, den Ausgleich darin zu suchen, durch besondere Anstrengungen die Außenwelt zu verändern, um uns ein Erfolgserlebnis zu verschaffen. Nein, es genügt, uns selbst zu verändern, wenn wir unser Erleben verändern wollen. Dann müssen wir auch nicht auf zukünftige Ereignisse in der Zukunft warten, sondern können gleich in der Gegenwart damit beginnen, unsere Zukunft zu gestalten. Da, wo wir feststellen, dass wir gegen die Lebensprinzipen verstoßen haben, können wir selbst die Verantwortung und entsprechend nachjustieren.
Das geschieht ebenfalls in einem zirkulären Prozess mit mehreren Schritten:
- Beobachten: Wo stehe ich gerade?
- Überlegen: Was will ich wirklich? (Beziehung)
- Neu einstellen: Was will ich dafür tun? (Identität)
- Handeln/Performanz: Welche Erfahrung will ich letztlich machen? (Erwartung)
